TRIBULATION Interview – Fledermäuse, Geister und wenn dir Doro Pesch im Suff erscheint

Kaum eine Band konnte dieses Jahr mit ihrem Album dermaßen für Applaus von Fans UND Kritikern sorgen, wie die schwedischen Jungs von TRIBULATION. Was einst als Death Metal Projekt gestartet wurde, entpuppte sich nun auf ihrer aktuellen Scheibe „The Children Of The Night“ zu einer wahnwitzigen Mélange aus Black Metal, Horrorpunk und Old School Black Sabbath, die so gekonnt mit Klischees spielt, dass man schnell über seine eigene Kinnlade stolpert. Zwar sind die Herren aus Arvika erst Mitte zwanzig, doch ihr Verständnis für Gitarrensoli und Artwork (das sie durch die Bank hinweg selbst gestalten) erweckt den Eindruck, sie hätten dreißig Jahre lang nichts anderes gemacht. Wir fingen alle vier der sympathischen, aber stellenweise etwas wortkargen Schattengestalten nach ihrem Gig in Bad Oeynhausen ab, um bei Bier und Salzstangen mit ihnen über Fledermaustattoos, die Vermeidung von Klischees und mysteriöse Doro Pesch Erscheinungen in Florida zu plaudern.

Der Vampir spielt bei euch eine große symbolische Rolle, immer wieder findet man das Element der Geburt, des Todes und der Wiedergeburt in euren Texten – dabei genießen Vampire mittlerweile ja keinen allzu guten Ruf mehr dank einiger Hollywoodunfälle. Wieso habt ihr euch davon nicht abschrecken lassen?
Adam: Wir haben alle ‚Twilight‘ verpasst… (lacht) Nein, wirklich, wir haben uns diesem Hype immer verweigert und ich habe nie die Filme gesehen oder die Bücher gelesen. Und mit allem anderen von diesen neuen Sachen habe ich mich auch nie auseinandergesetzt, auch nicht mit dieser Serie – wie heißt sie noch?
Jakob: True Blood! Ach, die erste Staffel war ganz gut… Dort werden Vampire symbolisch für die schwarze Bevölkerung während der Rassentrennung in den USA eingesetzt und das ist eine ziemlich kreative Idee. Aber alles andere… oh Gott.
Adam: Ja, über so etwas wollten wir uns nie einen Kopf machen. Aber es ist schon richtig, dass alle Themen, mit denen wir uns in der Band auseinandersetzen, sehr schnell Gefahr laufen, lächerlich oder klischeehaft zu wirken. Gerade Vampire – ob Twilight oder nicht – kommen schnell kitschig oder ausgelutscht herüber…
Ja, das ist ein Punkt, der mir auch schnell aufgefallen ist. Viele Elemente, die ihr in eurer Musik oder auch während eurer Bühnenshow verwendet, sind sehr klassisch und können deshalb langweilig oder klischeehaft wirken – aber das tun sie beeindruckenderweise bei euch nicht. Wo liegt eurer Meinung nach der Schlüssel dazu, zwar diverse Elemente zu adaptieren, aber niemals wie eine lahme Kopie von einer anderen Band oder Musikepoche zu wirken?
Adam: Wir versuchen nicht, mit aller Macht jemand anderen zu imitieren oder jemand zu sein, der wir nicht sind. Auf der Bühne sieht man einfach nur uns, wie wir das machen, was uns am besten gefällt. Wir drücken uns lediglich mit unserem Sound aus, es geht uns nicht darum, tolle oder spektakuläre Sachen dazu zu erfinden, die uns überhaupt nicht entsprechen.
Jakob: Was da auf der Bühne steht, sind einfach nur „verstärkte“ Versionen von uns selbst. Dort machen wir das, was wir im Alltag vielleicht nicht machen können. Aber wenn wir dort oben stehen, lassen wir einfach unseren inneren Schweinehund heraus und offenbar scheint das den Leuten zu gefallen.
Ihr habt in den letzten Jahren mit den verschiedensten Bands getourt, einigen Genre-Legenden wie Behemoth oder Cannibal Corpse – was war das Seltsamste, das euch jemals auf Tour mit solchen extremen Herren passiert ist, hat Erik von Watain euch mal losgeschickt, um ein paar Liter Schweineblut vom Metzger zu besorgen oder ähnliches?

 Adam: Nein, natürlich nicht. Wir kannten Watain schon lange vorher und viele Leute erwarten immer, dass es total bizarr ist, mit ihnen zu touren, aber das stimmt nicht – wir sind seit Jahren befreundet und deshalb gab es da auch keine Schockmomente für uns. Ein Mal wurde allerdings unser Tour-Van aufgebrochen… Das war ein ziemlich blöde Story… (schaut in die Runde) Nein, die erzählen wir jetzt lieber nicht. Aber ich habe eine andere für dich: Auf der Behemoth Tour in Atlanta ist uns etwas völlig Wirres passiert, wir saßen nach der Show in unserem Tourbus und plötzlich kam Doro Pesch herein! Einfach so!
Johannes: Die Metalqueen Doro! Sie hatte in der selben Halle wie wir gespielt, nur eine Etage darüber und schneite dann einfach mal in unseren Bus herein.
Adam: Ja, du musst dir vorstellen, wir waren alle stockbesoffen und high und plötzlich stand da Doro, wir dachten schon, jetzt drehen wir völlig durch! (lacht)
In euren Texten stößt man immer wieder auf spirituelle Gedanken und auch von Nekromantie ist oft die Rede – würdet ihr euch selbst als religiöse oder zumindest spirituelle Menschen bezeichnen oder sind die Gedanken in den Texten rein fiktiv?
Adam: Wir sind vier verschiedene Personen mit vier völlig verschiedenen religiösen Ansichten, deshalb würde ich nicht sagen, dass wir das in TRIBULATION alles herauslassen oder verarbeiten. Sicherlich sind die Texte stellenweise sehr persönlich, vieles davon sollte man aber nicht allzu direkt auf uns persönlich beziehen. Wir sind also absolut keine Band mit einer „Mission“ oder einer klaren religiösen Überzeugung, die wir unter die Menschen bringen wollen!
Glaubst du denn an Übernatürliches?
Adam: Ja, sicher. Ich glaube an Geister. Darum geht es auch in vielen Lyrics auf unserem zweiten Album „Formulas Of Death“, dort findet man immer wieder Anspielungen auf Begegnungen mit… naja, nennen wir es mal „Geistern“. Der Begriff ist jetzt sehr vage zu verstehen. Aber ja, ich denke, dass das Übernatürliche uns immer wieder begegnen kann.

Begegnete es dir persönlich häufig?
Adam: Es ist etwa zwanzig Jahre her, aber ja. Man sagt, dass Kinder empfänglicher sind für die Wahrnehmung von übernatürlichem Wesen oder Erscheinungen und ich glaube, das stimmt. Ich weiß nicht woran es liegt, aber vermutlich daran, dass man als Kind noch keinen so festgefahrenen Kopf durch die Außenwelt bekommen hat und deshalb geistig offener ist. [Anm.d.Red.: An dieser Stelle hätten wir natürlich gern mehr erfahren, aber das schien Adam nicht verraten zu wollen]
Orgeln sind im Metal ja mittlerweile nichts Ungewöhnliches mehr, aber dass eine Band Xylophone benutzt, ist mal richtig alternativ – wie kamt ihr zu dem Gefühl, dass gerade dieses Instrument in den Song ‚Straisn Of Horror‘ muss?
Adam: Es passte einfach hinein. Ist doch auch ein schönes Instrument, oder? Es ist vielleicht etwas unorthodox für den Metalbereich und wird oft missverstanden als dieses laute Ding, das man Kinder in der Schule spielen lässt, wenn die Blöckflöte ihnen zu doof wird…
Jakob: Hey, ich hab früher Xylophon gespielt als ich klein war, Mann!
Adam: Haha. Ich denke, wenn ein Instrument einen Song besser machen kann, egal wie, dann ist es doch egal, welchen Ruf das Instrument in der Gesellschaft genießt. Und das macht uns auch als Band aus, wir denken nicht groß darüber nach, was Leute über dies oder jenes Element in unseren Songs denken, sondern ziehen es einfach durch. Und ja, ich würde auch vor Blockflöten nicht zurückschrecken, wenn sie zur gewünschten Atmosphäre passen.
Das scheint auch definitiv zu eurem Erfolg beizutragen, wenn man sich die Rückmeldungen der Presse anschaut. Jeder feiert ab, dass ihr euch immer wieder selbst zerstört und neu aufbaut, „Children Of The Night“ wird von vielen mittlerweile als Album des Jahres gehandelt. Wäre das ein Grund für euch, an dem jetzigen Stil festzuhalten, weil ihr merkt „Hey, das funktioniert und kommt gut an“ oder spornt es euch eher dazu an, wieder einen radikalen Stilbruch mit dem nächsten Album zu starten?
Adam: Es ist noch zu früh, darüber etwas zu sagen, weil wir noch nicht einmal damit angefangen haben, uns über das nächste Album Gedanken zu machen. Aber das war immer so, wir hatten vor dem Beginn des Songwritings nie eine klare Vision, in welche Richtung uns die Musik führen sollte. Es gibt keinen Masterplan, wir nehmen es so, wie es kommt.
Jakob: Wir würden auch nicht in Panik verfallen, wenn wir plötzlich neue Songs hätten, die kein bisschen – oder vielleicht sogar zu sehr – wie „The Children Of The Night“ klingen. Nur weil ein Album in einem bestimmten Jahr mit seinem Stil Erfolg hat, heißt es nicht, dass das zwei Jahre später mit einer genauen Kopie des Ganzen noch einmal funktionieren würde. Und das wäre ja auch langweilig. Wir lassen uns einfach dort hin treiben, wo die Musik uns hinzieht.

Adam: Wir würden auch niemals an einer „Erfolgsformel“ festhalten wollen, nur weil man spekulieren könnte, dass dies und jenes finanziell rentabel ist. Ich schätze, ein solches Album würde automatisch schlecht werden, denn mit Biegen und Brechen einen bestimmten Stil beizubehalten tötet jegliche kreativen Ideen ab. Also wer weiß, vielleicht klingt das nächste Album wirklich genau wie unser letztes, vielleicht aber auch kein Stück…
Wenn sich jeder von euch heute ein Tattoo stechen lassen müsste, was für ein Motiv würdet ihr wählen?
Jakob (ohne zu zögern): Eine Sonne in meiner Hand. Ich denke darüber schon lange nach, aber es ließ sich nie umsetzen, weil ich die Hand logischerweise immer benutze und mit einer frisch tätowierten Flosse Schlagzeug zu spielen, wäre echt fies. Trotzdem: Eine Sonne fände ich richtig cool.
Jonathan: Öh… puh, ich habe um ehrlich zu sein keine Ahnung… (alle anderen buhen laut)
Johannes: Ich würde mich vehement sträuben. Nicht, dass ich etwas gegen Tattoos hätte, ich mag nur den „natürlichen Look“ einfach lieber. Und ich weiß ganz genau, wenn ich damit ein Mal angefangen habe, kann ich nicht mehr aufhören und sehe vermutlich bald aus wie ein riesiger schwarzer Fleck. Tätowieren macht ja schnell süchtig und ich habe mich dem Drang – bis jetzt! – entzogen. Mal sehen, wie lange ich das noch durchhalte. Aber solange ich kein klares Motiv im Kopf habe, wäre das ja auch dämlich.
Adam: Ja, von solchen spontanen Ideen hatte ich eigentlich auch schon genug… (lacht) Ich bin mir auch nicht ganz sicher, es ist schon eine Weile her, dass ich das letzte Mal unter der Nadel saß, aber natürlich denke ich oft darüber nach, nochmal nachzulegen. Aber wenn ich mich hier und jetzt entscheiden müsste… dann vermutlich einfach nur ein Haufen kleiner Fledermäuse.
Haha, das kann ich gut nachvollziehen, ich wollte auch mal den Hintergrund eines meiner Motive erweitern und als mir nichts Kreatives einfiel, habe ich mich auch kurzerhand für ein paar Fledermäuse entschieden. Es lebe das Klischee!
Adam: Ja, es ist zwar irgendwo langweilig, aber hey, man kann nie genügend Fledermäuse bei sich haben!

Solltet ihr die Jungs tatsächlich noch nicht auf eurem akustischen Schirm haben, ist jetzt die Zeit, das nachzuholen. Und um Gottes Willen, kauft dieses Album – Leute, ich meine es ernst. Diese Scheibe hat es von vorn bis hinten in sich.

Interview: Anne Catherine Swallow

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