Äl Jawala: Hypnophonic
Wenn Saxophone zum Karneval blasen
Äl Jawala: Der energiegeladene Zugriff der Musiker auf der Bühne überträgt sich überall wo sie konzertierend auftauchen, unmittelbar auf das Publikum, zuletzt auf einigen Stationen im Südwesten, unter anderem im Sudhaus Reutlingen. Für echt orientalische Bläsersätze fallen zwar die Melodieriffs der beiden Frontsaxophonisten Stephanie Schimmer und Krischan Lukanow zu westlich aus, doch dringen die Elemente der nahöstlichen Musik mit ihren chromatischen Melismen permanent durch. Dass mit Daniel Pellegrini und Markus Schumacher zwei Perkussionisten zu Gange sind, ist ein Grund mehr, die Konzertbesucher sofort zum Tanzen zu „verhexen“.

Rocken in Hamburg und München mit Gypsy Jazz die Säle: Äl Jawala, „die Reisenden“, hier beim Zelt Musik Festival 2014 in Freiburg (Foto: Wikimedia)
Wie um eine über ideologische Grenzen reichende Klammer durch Musik zu bilden, engagierte das Team für sein neues Programm die Palästinenserin Bayan Faroun, die dort zusammen mit einer Israelitin auftritt und so interkulturell Zeichen setzt. Hinzu kommen nun auch australische Sounds, von Schlagzeuger Daniel Pellegrini auf dem Didgeridoo im türkisch und griechisch angehauchten What do you can? geblasen – und Klänge von der Westerngitarre.
Gegenüber den gemeinsamen Anfängen der fünf Musiker liegt der aktuelle Schwerpunkt deutlich auf den Vokalstimmen. Der schwarze Musiker Mamoudou Doumbaye aus Guinea ergänzt die Fusion ebenso wie die geheimnisumwitterte Sängerin Rukie und Flo Mega aus Bremen. Gleich das erste Stück der neuen CD Hypnophonic, Wake UP, setzt mit einem zwölfköpfigen Chor ein, der sich in Einzelstimmen auflöst und wieder zusammenfindet.

Tenor- und Altsaxophonist Krischan Lukanow sorgt bei Folklore 014 in Wiesbaden am 14. August 2014 für dröhnende Riffs (Foto: Wikimedia)
Die Tracks nehmen Fahrt auf, das Tempo beschleunigt sich spätestens in Heart Overload und die Instrumentalstimmen gehen zu immer schnellerem Schlagabtausch über, um sich wieder zur Fusion Jam Session zu verbinden. Grandios stilsouverän gibt sich bei allen Einflüssen und Zitaten Electro Swing bis zum Gypsy Jazz noch vor Intergalactic Medusa die HipHop-Nummer Voodoo Rag, die auf das Furore machende Video Black Forest Voodoo neugierig macht. Dennoch stellt sich nie der Eindruck einer beliebigen Verwendung fremder Zutaten ein: Jeder Song kommt aus einem Guss. Und der Kessel kocht interkulturell von Karlsruhe bis Kiel … ein Beitrag zum Brückenschlag zwischen den Kulturen auch in schwierigeren Zeiten.
Fast möchte man ausrufen: Noch rechtzeitig und als Auftakt zur Karnevalssaison 2016 kam der „hypnotisierend“ famose Wurf des Freiburger Quintetts um Krischan Lukanow und Stephanie Schimmer, die übrigens seit neuestem selbst singt, in die europäischen Musiksäle! Allenfalls an den Rhythmen der durchwegs tanzbaren zwölf Nummern lässt sich vordergründig noch ein Ursprung im Dancefloor und Reggae erkennen. Seit Äl Jawalas Gründung zur Jahrtausendwende mit seiner exzeptionellen Melange aus Dance Beat, Balkan-Soul sowie Modern Klezmer und dank hoher Bühnenpräsenz gingen bereits elf verschiedene Alben über die Ladentische – und auf die DJ-Teller landesweit.
Nächste Termine (in Auswahl):
Kulturzentrum TOLLHAUS , Karlsruhe, 12.2.2016, 20.30 Uhr
Z-Bau – Haus für Gegenwartskultur, Nürnberg, 17.2.2016, 20.30 Uhr
Kulturladen KFZ, Marburg, 18.3.2016, 20.00 Uhr