OHRENFEINDT – München erliegt dem Roggenrohl-Fieber

OHRENFEINDT – Motor An Tour 2015
Samstag, 07.11.2015 – München, Backstage Halle
Support: Double Crush Syndrome

Die Backstage Halle war an diesem Samstag, den 7.November, schon gut gefüllt, als DOUBLE CRUSH SYNDROME pünktlich um 20 Uhr die Bühne betraten. Mit „She’s A Pistol“ eröffnete das Trio den musikalischen Reigen und nicht wenige Fans schauten erst einmal verwundert drein und beäugten misstrauisch die geschminkten Gestalten auf der Bühne. Ein Teil der Anwesenden waren unübersehbar Biker (oder welche die es gerne wären), das Anhängsel im Harley-Glitzer-Fummel im Schlepptau inklusive. Scheinbar war ein Teil dieses Klientels etwas überfordert mit soviel Attitüde.

Doch Frontmann Andy Brings suchte ständig den Kontakt zum Publikum und seine kleinen Frotzeleien fanden zum Ende hin immer mehr Anklang. Wer sich etwas in der Metalszene auskennt, hat den Namen Andy Brings schon mindestens einmal Anfang der Neunziger gehört, als dieser noch Gitarrist und Songschreiber bei Sodom war – kaum vorstellbar, wenn man ihn heute sieht. Mit Songs wie „Blood On My Shirt“ oder „Die For Rock’N’Roll“ heizte die Band dem Backstage ordentlich ein. Die Frage ob sie nach München wiederkommen dürften, wurde fast einstimmig mit „Ja“ beantwortet. Und so stand dem Headliner des Abends jetzt nichts mehr im Weg.

Dass Nordlichter bei den Bajuwaren keinen leichten Stand haben, ist allgemein bekannt, aber bei OHRENFEINDT schien dies nicht zu gelten. Die Herren wurden begeistert von ihren zahlreichen Anhängern empfangen und die Backstage Halle drohte aus allen Nähten zu platzen. Die Band legte auch gleich massiv los, Köpfe nickten und Füße wippten im „Roggenrohl“-Takt. Reibeisenstimme und Bassist Chris lief bei Songs wie „Energie“, „Spiel mit dem Feuer“, „Gib mir mein Problem zurück“, „Auf die Fresse ist umsonst“ oder „Harley-Luja“ zu Höchstformen auf. Wer Benzin im Blut hat, wird Ohrenfeindt lieben und auch ich wäre am liebsten direkt auf meine Harley gestiegen, um zusammen mit den Jungs durch die Gegend zu cruisen.

„Motor an“ vom neuen, gleichnamigen Album dröhnte richtig fett aus den Boxen, Saitenvirtuose Keule zauberte ein rasiermesserscharfes Riff nach dem anderen aus dem Ärmel und zeigte ein um das andere Mal, dass er ein wahrer Hexer an der Klampfe ist. Fronter Chris warf die Frage in die Runde, welcher Stadtteil der geilste von München ist und kam zu der Erkenntnis, dass es Schwabing nicht ist, denn St. Pauli gibt es halt nur in Hamburg und deshalb darf „Sie hat ihr Herz an St. Pauli verloren“ auf keiner Setlist fehlen und anschließend schien sich so mancher Typ im Publikum als „Rock’n’Roll Sexgott“ zu fühlen. OHRENFEINDT konnten aber nicht nur ihren Roggnroll ins Publikum rotzen. Nein, die harten Kerle wurden ganz weich, als sie sich bei allen Fans bedankten, vor allem den Jungs und Mädels mit Handicap, welche den oft beschwerlichen Weg auf sich nehmen, nur im ihre Helden live erleben zu können. Und als Chris dann noch meinte, man solle doch nach der Show am Merch Stand vorbeikommen, um die Band zu treffen und dass man dort die Bandshirts einfach links liegen lassen sollte, um doch besser eine Spende für das Kinderhospiz „Sternenbrücke“ zu hinterlassen, spätestens dann flogen dem Kerl mit der harten, rauen Schale und dem weichen Kern die Frauenherzen reihenweise zu. Mit „1910“ wurde noch einmal ordentlich Fahrt aufgenommen und jeder in der Halle konnte spüren, dass die Mannen aus dem hohen Norden „Zum Rocken Geboren“ sind! Ein „Ohrenfeindt“, welcher den Abend ausklingen ließ, hört sich definitiv anders an.

Das „Trio Infernale“ vom Kiez ist eine geniale Live-Band und bringt jeden Club mit handgemachten, authentischen Songs zum Beben. Wer einmal in ihren Bann gezogen wurde, den lässt der rotzige Sound nicht mehr los – oder wer kann schon einem smarten Bassisten mit Reibeisenstimme und Waschbärbauch widerstehen?

Text: Sandra Baumgartl

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