Interview mit Watain – "Andere Leute sind nicht mein Feind. Ich bin ihr Feind."

Gespräche mit Black Metal Bands, sind selten ein fröhliches Kaffeekränzchen. Während man sich in der herkömmlichen Musikindustrie höchstens einmal mit Diven und Traumtänzern auseinandersetzen muss, sind die Herren aus dem Black Metal Genre meist eine Sparte für sich. Mit ihnen entstehen Interviews, die zwar einiges an Minensuchen mit sich bringen, aber oft auch enorm lohnenswert sind. So war es auch mit WATAIN.

Obwohl Frontmann Erik Danielsson ein kleiner, beinah schmächtiger junger Bursche ist, überlegt man sich doch lieber zwei Mal, was man den pyromanischen Tierblutschwenker fragt. Doch wenn eine Band vor kontroversen Themen geradezu explodiert, wieso soll man dann mit ihr smalltalken? Zahlreich wurde ich gewarnt und immer wieder tauchte der Begriff „arroganter Egomane“ auf, wenn man mir von Erik Danielsson erzählte und nach dem Interview wusste ich zwar, weshalb das über ihn gesagt wurde, muss jedoch ein ganz fettes „Aber…“ hinzufügen. Denn auch die folgenden Antworten von ihm wirken in schriftlicher Form überheblich und selbstverliebt, live waren sie das jedoch nicht. Der 32-jährige Schwede ruhte komplett in sich selbst, sprach langsam aber deutlich, verzog nur selten eine Miene und unterbrach nie auch nur für eine Sekunde den Blickkontakt. Zu keinem Moment wurde er unhöflich oder machte Anstalten, einer Frage auszuweichen. Ob man seine Ansichten teilt, bleibt jedem selbst überlassen, doch Eriks Souveränität war derart faszinierend, dass man beinah wie ein Sektenmitglied jedes seiner Worte aufsaugen wollte.
Sound Infection: Was hast du durch deine Musik über dich selbst gelernt?
Erik Danielsson: Oh, du willst gleich so tiefsinnig anfangen? Watain wurde gegründet, als wir Kinder von sechzehn Jahren waren, ursprünglich zu dem Zweck um ins uns selbst zu reisen, so wie jeder Mensch es in dem Alter braucht. Wir brauchten ein Boot, weil wir mitten auf dem Ozean standen, der weit vor uns lag. Also bauten wir buchstäblich Watain. Es ging immer darum, etwas über uns selbst zu lernen und es ist ein konstanter Prozess seit den sechzehn Jahren, die wir nun schon zusammen spielen. Deshalb habe ich sehr viel gelernt – zu viel, um es in einer Frage zusammen zu fassen. Am einfachsten ist es vermutlich, unsere Musik zu hören und die Texte zu lesen, um eine umfassende Antwort darauf zu bekommen.
Aber nachdem du anderthalb Jahrzehnte Musik schreibst und in dem Business bist, gibt es da nach wie vor Dinge, die du noch plötzlich neu an dir entdeckst, oder hast du mittlerweile schon so weit zu dir selbst gefunden, dass du das Instrument Watain eigentlich nicht mehr als psychische Stütze benötigst?
Ich finde es sehr wichtig, immer wieder persönlich gefordert zu sein bei der Musik. Es geht nicht darum, ein spezielles Ziel zu erreichen oder die eine Frage auf die eine Antwort zu finden. Man muss dabei im Kopf behalten, dass wir, wie ich schon sagte, ja sehr jung waren, als wir die Band gründeten und mittlerweile alle über dreißig sind. Wir haben uns als Personen verändert und die Musik ebenfalls, Watain heißt für uns, immer wieder Neuland zu betreten und es bedeutet mir mittlerweile sehr viel mehr als damals als Teenager. Die Band wird für mich immer wichtiger und wichtiger mit der Zeit.
Okay, heute bombardiere ich dich mit einigen philosophischen Fragen, tut mir Leid – aber was passiert – nach deiner ganz persönlichen Meinung – nach dem Tod?

Mein ganzes Leben verbringe ich schon damit, zu lesen und mich mit dieser Art von Fragen auseinanderzusetzen und wenn du das so lange tust, hast du viel Respekt vor der Antwort auf diese Fragen. Es bedeutet ein bisschen zu viel für mich, um darüber hier in einem Festivalzelt zu sprechen, weißt du? Jeder, der sich ein Konzert von uns ansieht, wird verstehen, dass wir diese Themen extrem Ernst nehmen und für uns ist Watain eine Art, diese Fragen zu beantworten. Religiöse, Wissenschaftler, eigentlich alle Männer und Frauen dieser Welt haben sich seit Anfang der menschlichen Existenz mit diesen Themen beschäftigt – und wenn Leute wirklich eine Antwort darauf haben möchten, sollten sie vielleicht etwas anderes lesen, als das Interview mit einer Hardrock-Band…
Möglicherweise… gut, hier nun eine viel unkompliziertere Frage: Wie geht es eigentlich Pelle, ist er auf dem Weg der Besserung?
Oh ja! Er… (lacht) er ist ein Monster, das man nicht töten kann. Viele Leute, die dasselbe durchgemacht hätten wie er in den letzten Monaten, wären am Ende gewesen und hätten aufgegeben, aber er sitzt mittlerweile schon wieder auf seinem Motorrad, ihm geht es also definitiv sehr viel besser! Für die ersten Festivals im September wird der harte Motherfucker vermutlich schon wieder mit von der Partie sein! Die Ärzte empfehlen es ihm zwar nicht, aber er zieht es trotzdem durch.
Haha, das ist schön zu hören, hoffentlich übernimmt er sich nicht! Der Aspekt von Feuer ist ein elementarer Teil eurer Bühnenshow. Viele Leute assoziieren Flammen mit Zerstörung oder auch einer gewissen Reinigung – was genau bedeuten sie für dich?
Ja, es hat sehr viele Bedeutungen. Mir gefällt die Idee, dass Feuer ein dualistisches Element ist, etwas das zerstört, aber gleichzeitig auch etwas, das erleuchtet – das ist natürlich klar, aber dennoch sehr wichtig für uns. Wenn wir es also in einem Live-Kontext auf der Bühne einsetzen, gefällt uns besonders, dass es ein chaotisches Element ist, das nicht kontrolliert werden kann. Ich meine, natürlich muss alles auf der Bühne einer gewissen Kontrolle unterliegen, deine Gitarre muss so klingen wie sie soll, die Lichtshow muss hinhauen, aber wenn wir dann Feuer als Zutat zu dem Konzert hinzufügen, kommt das Element des Chaos hinzu. Es hat sein ganz eigenes Leben, lässt sich nichts vorschreiben und wenn es außer Kontrolle gerät, werden die Dinge gewaltig unschön. Aber ich finde es wichtig, es dabei zu haben.

Du warst wie gesagt sehr jung, als du Watain ins Leben gerufen hast und ich gehe davon aus, dass du dich schon vor der Bandgründung viel mit Metal oder in deinem persönlichen Fall auch Satanismus auseinandergesetzt hast – was hielten deine Eltern damals davon?
Ich wurde mit Eltern gesegnet, die mehr den Aspekt der Leidenschaft in dem sahen, was ich machte. Ihnen fiel auf, dass ich, an dem was ich tat, wuchs und einen Lebenssinn für mich fand und nicht einer dieser Teenager war, der depressiv wurde und keine Zukunft erkannte. Und wenn man das in seinem Kind sieht, sollte man eigentlich eher zufrieden als besorgt sein. Sicherlich gab es dennoch einige schräge Momente zwischen mit uns meinen Eltern, aber es ist ja nicht so, dass ich ein normales Leben gewählt hätte, deswegen ist es mir auch egal, was andere davon halten.
Durch eure faszinierende Feuershow und die Tatsache, dass ihr als bekennende Satanisten nach außen hin sehr „böse“ wirkt, zieht ihr viele Leute zu euren Konzerten, die ansich vielleicht weniger mit Black Metal oder eurer Musik zu tun haben. Manchmal scheint euer Image eure Musik zu überlagern – stört dich das?
 Ab einem gewissen Punkt musst du vergessen, für wen du spielst oder wer deine Alben kauft. Denn wenn man sich darauf zu sehr konzentriert, verliert man schnell seinen eigenen Fokus und mein Fokus liegt strikt auf Watain selbst. Aber offenbar funktioniert das und die Leute sind fasziniert von uns, aus welchem Grund auch immer letztendlich. Und ich sehe keinen Grund darüber zu urteilen, weshalb gewisse Leute nun unsere Musik hören, ich bin ein einfacher Mann, der viel mit seinem Leben anstellt, aber man sollte sich nicht unnötig über Dinge aufregen oder analysieren, warum ein Mensch nun die oder die Musik hört… Wir haben den Wolf als Band-Symbol, weißt du? Und der Wolf ist ein Tier, den viele Leute wunderschön und faszinierend finden, aber gleichzeitig fürchten sie ihn. Deshalb passt er ganz gut.

Du sprichst oft viel von Misanthropie – welchen Stellenwert hat deine Menschenverachtung aber im alltäglichen Leben? Du wirkst, jetzt wo du hier sitzt, nicht wie jemand, der einem sofort an die Gurgel gehen würde. Aber misstraust zu Menschen von vorn herein, wenn du ihnen zum ersten Mal begegnest?
Misstrauen resultiert eigentlich aus persönlicher Schwäche. Ich sehe mich als relativ starke Person an und als eine Art Spitzenprädator, der kein Opfer von anderen ist. Andere Leute sind nicht mein Feind – ich bin ihr Feind. Wäre das nicht so, hätte ich mich niemals in der Lage gesehen, eine Band zu gründen und in der Öffentlichkeit vor fremden Menschen aufzutreten.
Findest du, dass Selbstmord ein Zeichen für Stärke oder für Schwäche ist?
Das ist definitiv in jedem Fall unterschiedlich. Viele Menschen wählen Selbstmord wegen logischen Gründen wie Mangel an Selbstbewusstsein und Perspektiven. Während andere es wiederum tun, weil sie komplett selbstbewusst sind und selbst bestimmen wollen, wann sie gehen. Es wurde mit den Jahren ein extrem wichtiges Thema für mich und die Leute, die ich kannte, die diesen Weg gewählt haben, taten es aus sehr verständlichen und wichtigen Gründen, sie wussten, was sie machten und es war kein Akt der Verzweiflung, sondern des Selbstbewusstseins.

Interview: Anne Catherine Swallow
Titelbild: Sommer Breeze Pressefoto

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