Interview mit TRACER – "Wir möchten nicht als Band enden, die wie Led Zeppelin klingt"

Wenn die Cellofinnen von Apocalyptica schon Unterstützung aus Australien für ihre aktuelle Europatour einfliegen lassen, hat das wirklich etwas zu heißen und so können die Jungs von TRACER sich auch tatsächlich sehen lassen. Am 27. Oktober 2015 trafen wir ihren Frontmann und Gitarristen Michael Brown in der Münchner Tonhalle zum Interview und hatten mit dem sympathischen Musiker aus Down Under viel zu lachen. Aber lest selbst.
SI: Euer Album „El Pistolero“ war ja sehr erfolgreich. Was hat sich seitdem für euch verändert? Habt Ihr jetzt zum Beispiel mehr Groupies?

Michael: (lacht) Wir haben mehr Besucher bei unseren Shows, was eine feine Sache ist. Für mich persönlich hat sich aber nichts geändert, denke ich. Mit „El Pistolero“ kamen größere Konzerte und wir wissen mittlerweile genau, wo wir in fünf oder zehn Jahren stehen wollen und darauf arbeiten wir hin, und alles, was bis jetzt passierte ist fantastisch. Wir sind nicht enttäuscht, wenn es einmal nicht so gut läuft, aber wenn alles passt, dann ist es wie: WOW – perfekt! Jetzt haben wir unser neues Album „Water for Thirsty Dogs“ am Start und das ist ein weiterer Schritt nach vorn…
SI: Habt ihr nach dem Erfolg von El Pistolero einen größeren Druck verspürt, ein noch erfolgreicheres Album zu produzieren, oder war es eher leichter?
Michael: Es ist nie leicht, etwas Gutes hervorzubringen. Wir pushen uns immer selbst und sind unsere härtesten Kritiker. Mit dem neuen Album haben wir wieder so viel bei den Aufnahmen dazugelernt wie nach El Pistolero. Und dieses Mal hatten wir auch Jett, unser neues Bandmitglied, mit an Bord. Er hatte mit dem Schreiben der Songs zwar nichts zu tun, aber wir versuchten ihn in den ganzen Prozess einzubringen und haben ordentlich zusammengearbeitet. Wir haben uns in the middle of nowhere zurückgezogen, fast eine Woche lang durchgespielt und einiges zusammen geschrieben, um zu sehen, wie wir zusammen arbeiten. Wir schrieben coole Songs und haben einfach versucht besser zu werden, uns immer weiter zu pushen. Dabei haben wir unterschiedliche Sachen probiert wie Rock, Heavy Rock, alles mögliche. Manches hat funktioniert, manches nicht. Das neue Album ist das Ergebnis der ganzen harten Arbeit.
SI: Es klingt, als wärt ihr voll und ganz zufrieden mit dem neuen Album, aber wenn du jetzt die Chance hättest, es nochmals neu zu machen, würdest du trotzdem etwas ändern?
Michael: Ja, natürlich (lacht). Ich sehe es genau wie David Bowie, der einmal sagte: Ein Album ist niemals fertig. Wir haben bis jetzt ca. zwanzig Shows mit den neuen Songs gespielt und wir performen sie manchmal anders und denken: ‚Oh fuck, das wäre cool gewesen‘. Wenn du ein Album aufnimmst, dann in einem Moment, den du versuchst festzuhalten und wenn du das geschafft hast, hast du gewonnen. Wenn du versuchst immer etwas zu ändern, dann verlieren die Songs auch irgendwann ihre Energie. Ein Beispiel sind meine Gitarrensolos. Ich versuche immer, sie spontan aufzunehmen, wenn die Idee in meinem Kopf noch frisch ist.
SI: Ist es schwierig für euch, als Support für Apocalyptica zu spielen? Das Publikum ist doch sehr speziell.
Michael: Natürlich ist es schwieriger, eine Support Show zu spielen, da es ja nicht unsere Fans sind und es dauert einige Songs, bis die Menge warm wird. Aber wir haben die letzten drei Jahre für verschiedene Bands erföffnet und langsam wissen wir, was wir zu tun haben, um die Fans auf unsere Seite zu ziehen. Wir dachten auch eine Cello Metal Band und TRACER, das kann nicht funktionieren! Aber das Publikum in Europa ist viel offener und sieht hier nicht nur eine Cello Metal Band und eine Hard Rock Band, sondern zwei gute Bands. Apocalyptica sind brillant und es freut uns jedes Mal, wenn wir hören „Hey wir haben gar keine so gute Support Band erwartet!“ Dann denken wir jedes Mal nur: „Yeah, geil!“ (lacht)
SI: Ihr seid ja nun schon eine ganze Weile auf Tour. Was vermisst du am meisten und was magst du am Touren?

Michael: Ich vermisse am meisten meine Freundin, meine Familie, meinen Hund und natürlich meine Freunde. Der Lifestyle beim Touren entspricht nicht der Wirklichkeit. Wenn wir zurück in Australien sind, haben wir ganz normale Jobs und wenn du in diese Wirklichkeit zurückkommst, dann ist das verdammt langweilig. Und hier wachst Du auf, hast dein Essen, deinen Dressing Room, machst einen Soundcheck, dann bekommst du dein Abendessen, gehst auf die Bühne, später triffst du am Merch Stand die coolen Fans und du hast immer und überall diese wunderschönen Frauen. Nicht, dass ich die Frauen anrühren würde! (lacht) Aber sie sind halt einfach da. Später gehst du noch auf einen Drink. Es ist halt nicht wie jeder andere Job. Wenn Du auf der Bühne stehst, erlebst du direkt die Reaktionen der Fans – das hast du in keinem Büro, dort applaudiert dir keiner! (lacht) Es ist einfach fantastisch.
SI: Gibt es Unterschiede zwischen dem Touren in Europa und Australien?
Michael: Oh ja – da gibt es viele Unterschiede. Ich weiß nicht, ob du die Landkarte von Australien kennst und ob du weißt, wie groß Australien ist? Hier fährst du 1-2 Stunden und du bist in der nächsten großen Stadt. In Australien hast du nur 5-6 große Städte und die sind -zig Meilen weit entfernt und es ist verdammt teuer, dort zu touren, wenn du nicht die nötige Unterstützung der Medien bekommst. Und das kriegen wir im Moment nicht. Aber wenn du die Möglichkeit bekommst mit Black Label Society, Black Stone Cherry und jetzt mit Apocalyptica zu touren, dann würdest du tausend Meilen reisen und das haben wir genutzt und gemacht!
SI: Habt ihr neben dem Touren auch noch Zeit für Sightseeing?
Michael: Ja – gestern zum Beispiel hatten wir einen freien Tag und sind nach München rein gefahren zum Marienplatz und wir sind natürlich in einer Kneipe versackt! (lacht herzhaft) Aber wir haben schon vorher ein bisschen was gesehen… (lacht immer noch)
SI: Man hört oft, das ihr ein bißchen wie Soundgarden klingt. Ist das für euch ein Kompliment?
Michael: Ja, das kommt daher, wie ich meine Stimme nutze und ganz ehrlich? Ich bin der wirkliche Chris Cornell! (lacht) Und ich möchte wie er klingen und wenn ich so singe, dann denke ich immer: Oh scheiße – jetzt hab ich es vermasselt. Nein es ist halt einfach die Technik so zu singen und mal ganz ehrlich: Soundgarden sind musikalisch einfach nur geil. Und jeder, der sagt, wir klingen wie sie, macht uns ein Kompliment. Aber hoffentlich können wir mit dem nächsten Album die Grenzen etwas mehr ausreizen und wir machen schon viel für das nächste Album und es wird interessant sein, zu hören, was die Leute dann sagen.
SI: Woher nehmt ihr eure Inspiration für neue Songs? Und wie entsteht ein Song? Kommt zuerst die Musik und dann der Text oder alles zusammen?
Michael: Überall her aus dem ganzen Leben. Ich höre diese Frage oft. Wenn du eine Formel hast zur Entstehung eines Songs, dann schreibst du den gleichen Song immer und immer wieder. Vor einer Show machen wir einen Soundcheck und jammen dann für zehn Minuten und nehmen das auf und wenn es gut ist, dann nutzen wir das Material. Und die Lyrics kommen einfach dazu, vielleicht weil ich die Worte mag oder dann kommen die Drums und ich denke an Motorbikes, welche durch die Wüste fahren, und mache daraus einen Song. Wir sind drei Leute in der Band mit unterschiedlichen Ideen und wenn du einen vierten dazu nimmst, wer weiß, was dann passieren würde. Wir möchte nicht als eine Band enden, die wie Led Zeppelin klingt. Der Rest der Band und ich sind einfach genervt davon. Es gibt eine wahre Band Led Zeppelin und die sind verdammt geil und eine zweite Version braucht es nicht.

SI: TRACER gibt es jetzt seit 10 Jahren. Nenne mir einige Meilensteine eurer Karriere.
Michael: Unsere erste Europa Tour haben wir selbst finanziert, die zweite selbst finanziert, dann kamen wir bei unserem ersten Label unter Vertrag, haben unser erstes Album gemacht, dann kam unsere erste UK Tour und wir koppelten unsere erste Single aus. Dann erschien unser nächstes Album „El Pistolero“, danach tourten wir als Support für Black Stone Cherry, haben den „Classic Rock Award“ als beste neue Band gewonnen, was ziemlich cool war und jetzt touren wir mit Apocalyptica. Nächstes Jahr kommen wir als Headliner wieder und das werden unsere ersten Headliner Shows seit zweieinhalb Jahren! Wir supporten gerne andere Bands und spielen vor großem Publikum, aber in zwanzig Minuten kannst du eben nicht alles zeigen, was du drauf hast.
SI: Welchen Rat würdest du jungen Bands geben, wie sie in diesem Musikdschungel überleben können?
Michael: Etwas, das wirklich hilfreich ist? (fängt an zu lachen) Gewinnt im Lotto, werdet Zuhälter (lacht sich halb kaputt) Ehrlich? Was ich jungen Bands sage ist: Arbeitet hart, ihr müsst nicht nur gut sein, ihr müsst die Besten werden. Wenn du die Chance hast, mit einer namhaften Band zu touren, mache es, spiele so viele Shows wie du kannst, höre nicht auf deine Freunde, höre auf Leute aus dem Business. Und es ist nicht die ganze Zeit Party, Sex, Drugs and Rock’n’Roll angesagt. Es ist verdammt harte Arbeit, wenig Schlaf, du musst versuchen, dich gesund zu ernähren, um überhaupt gesund zu bleiben, damit du die ganzen Shows spielen kannst. Du nimmst das nicht alles auf dich für Sex, Drugs and Rock’n’Roll, sondern weil du Musik machen willst.
SI: Eine letzte Frage noch. Du sagtest vorhin, dass ihr nächstes Jahr als Headliner zurückkommt. Wenn du wählen könntest: Welche zwei Bands auf diesem Planeten hättest du gerne als Support Bands für Eure Shows und warum?
Michael: Ich würde die Foo Fighters nehmen, weil ich hörte das sie ihre Fans mitreißen. Du überforderst mich grade ein bisschen (kommt aus dem Lachen gar nicht mehr heraus) Also wenn die Foo Fighters kommen, dann könnten wir ja ein bisschen auf den Drums herumspringen, das könnte echt gut funktionieren. Ernsthaft jetzt – wir haben eine Band, Freunde von uns aus Amerika, Los Angeles und die bringen wir mit. Wir pushen uns gegenseitig was wirklich toll ist. Es ist fatal, wenn du Headliner bist und die Support Band besser als du bist (fängt schon wieder an zu lachen). Und deswegen nehmen wir die Jungs mit auf Tour. Sie haben die Aufgabe, uns nicht wie Idioten dastehen zu lassen.
SI: Vielen Dank Michael für das nette, ausführliche Interview.
Michael: Danke Euch. Wir sehen uns im Frühjahr!

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