Interview mit Max Cavalera – Killer Be Killed, Lemmy und die Todesstrafe

„Hi, nett dich kennenzulernen, ich glaube, ich bin in einer Band mit dir…“

Sehr geehrte Deutschlehrer,
ein solches Interview kommt zustande, wenn man seinen Schülern chronisch einbläut, dass ein Künstler sich irgendwelche hochphilosophischen und sozialkritischen Gedanken bei der Wahl jedes einzelnen Wortes in seinem Kunstwerk gemacht hat. Denn mit seiner neuen Supergroup „Killer Be Killed“ hat Soulfly- und Ex-Sepultura-Frontmann Max Cavalera zwar eine genial polternde Scheibe geschaffen, sich aber offenbar nichts hochgradig Tiefsinniges gedacht. Trotzdem ergab sich um 23 Uhr nachts ein nettes Gespräch, in dem Max nicht nur von der spannenden Zusammenarbeit mit Mitgliedern von The Dillinger Escape Plan, The Mars Volta und Mastodon erzählt, sondern auch davon, dass er sein Albumcover hässlich findet und sein Colabecher der Leidtragende in der Suche nach einem Bandnamen war.
Anne: Max, schön, mal wieder mit dir zu reden. Wie laufen deine freien Tage, feiert ihr eigentlich Ostern bei euch in der Familie?

Max Cavalera: Ja, ein bisschen, meine Frau ist orthodoxe Christin und legt viel wert darauf, zu den Feiertagen in die Kirche zu gehen und ein riesiges Festtagsmahl auf die Beine zu stellen. Deswegen bin ich ganz gut eingespannt, weil wir auch viele Gäste erwarten. Nächste Woche geht es dann aber gleich mit Vollgas nach Los Angeles, wo ein Videoshoot für Killer Be Killed ansteht, deshalb kann ich mir kaum erlauben, auf der faulen Haut zu liegen.
Oh, für welchen Track shootet ihr denn?
Unser erster Albumsong „Wings Of Feather And Wax“ bekommt sein eigenes Video und ich freue mich schon unglaublich. Gerade vor deinem Anruf habe ich nochmal in die Scheibe reingehört und ich bin unglaublich zufrieden mit dem Ergebnis!
Es ist auch wirklich ein Ohrwurmalbum. Was hat es denn mit dem Cover auf sich, es sieht für mich aus wie ein Fahndungsfoto, ist der Typ jemand Bestimmtes oder sogar ein Gefangener im Todestrakt, da ihr ja nun „Killer Be Killed“ heißt?
Ehrlich gesagt hatte ich wenig Einfluss auf das Cover diesmal. Zwar gab es Ideen von meiner Seite aus, die fand aber keiner gut, deshalb habe ich mich aus der Entscheidung herausgehalten, da ich bereits so viel bei den musikalischen Fragen Einfluss genommen hatte und die meisten Gitarrenparts auf dem Album spielte. Also habe ich zu den anderen in der Band gesagt, dass sie das Artwork bestimmen dürfen. Ich mag den Schwarzweiß-Aspekt des Bildes, das erinnert sehr an Hardcore Acts wie Discharge, aber die Fresse von dem Typen finde ich ziemlich schrecklich, keine Ahnung, wer das ist! Sieht aus, wie ein seltsamer Gefängnisinsasse oder Serienkiller, aber ob es wirklich einer ist, kann ich dir nicht sagen, da müsstest du den fragen, der das Cover designt hat… Aber es ist nicht unbedingt mein Lieblingscover muss ich gestehen.
Also hat es nichts konkret mit einem Insassen des Todestrakts zu tun? Woher stammt denn dann euer Bandname – oder habt ihr euch gar nichts Tieferes dabei gedacht?
Eigentlich ist der Name ein Scherz. Troy schlug vor, dass wir einfach „Kill“ heißen, im Studio hatte sich das lange Zeit durchgesetzt und wir schrieben es an die Studiowände und auf meinem Cola-Becher stand es auch schon, bis wir herausfanden, dass es bereits  eine Band mit dem Namen gibt. Also kam von Troy der Vorschlag „Kill Or Be Killed“ auf und ich machte daraus spaßeshalber „Killer Be Killed“, was plötzlich jeder total cool fand – also kann man sagen, dass die Idee von mir und Troy kam, auch wenn es eher ein Unfall war (lacht).
Mensch, du zerstörst gerade meine komplette Illusion, dass es eine tiefsinnige Kritik an der Todesstrafe sein soll oder etwas ähnliches (lacht)!
Haha, es war im Prinzip einfach nur eine Idee, die ich mochte: Dass der Böse auch mal getötet wird und der Serienkiller sein Fett weg kriegt. Es klingt auch einfach cool bei der Aussprache und als Titel in Magazinen macht es sich auch gut. Ach, alles was mit „Kill“ oder „Killer“ zu tun hat, ist schick (lacht) Und letztendlich war ich einfach froh, dass wir einen Namen gefunden hatten, weil wir drei Jahre lang namenlos waren und das immer blöd war, wenn Leute nach dem Projekt fragten und ich nur die Schultern zucken konnte. Zwischen drin wollten wir uns mal „Negative Fucked“ nennen, was nach rotziger Punkband klingt, aber ich habe befürchtet, dass das „Fuck“ im Titel etwas unschön rüberkommt. Danach war noch „99 Scalps“ im Gespräch oder „Draft Full Of Glass“ (?), was mir auch sehr gefiel, aber nun haben wir ja unsere Entscheidung.

Dennoch – und Mensch, du hast gerade mein ganzes Gesprächskonzept über den Haufen geworfen..! – wie ist deine Meinung dazu, dass die USA in einigen Staaten weiterhin Mörder hinrichtet?
Das ist ein echt hartes Thema… schließlich beenden sie damit noch ein Leben. Ich schätze, wenn ein Killer jemanden aus deiner Familie tötet, willst du durchaus sehen, wie diese Person stirbt, aber das gesamte Leben im Gefängnis zu verbringen ist ja auch eine krasse Strafe. Selbst wenn einige Leute behaupten, das Leben im Knast wäre einfach und entspannt.
Aber ich gebe durchaus zu, dass ich völlig ausrasten würde, wenn jemand meinen Sohn oder meine Frau umbringen würde, und in dem Fall vermutlich ganz anders auf die Problematik reagieren müsste und nur hoffen könnte, dass dieser Mörder in schlimmster Form dafür bezahlt, was er getan hat. Dennoch gefällt mir das Konzept der Todesstrafe nicht besonders.
Okay, zurück zu unkomplizierteren Themen: Du und Greg Puciato wart ja die Gründer von dem Killer Be Killed-Projekt, wie genau habt ihr denn entschieden, wen ihr ins Boot holt, wie gingt ihr bei der Auswahl vor? Habt ihr sogar hitzige Diskussionen darüber geführt?
Nein, Greg war schon länger mit Dave [Elitch, The Mars Volta] befreundet und schickte mir einen Youtubelink, damit ich mich von seinen Drumkünsten überzeugen konnte und ich war so begeistert, dass wir beschlossen, gleich zu dritt in L.A. zu jammen. Das war pure Magie und das halbe Album wurde bereits in diesen Sessions geschrieben. Troy [Sanders, Mastodon] war auch Gregs Idee, ich hatte ihm nur gesagt, dass ich jemanden suche, der singen kann, damit wir drei verschiedene Leute für Vocals in der Band haben. Und als er dann Troy vorschlug, war ich begeistert, weil ich natürlich Mastodon liebte, getroffen hatte ich ihn aber noch nie. Daraus ergab sich eine ganz lustige Szene, denn als ich ihn das erste Mal auf einem Festival sah, ging ich zu ihm und sagte „Hi, nett dich kennen zu lernen, ich glaube ich bin in einer Band mit dir!“.
Nun seid ihr ja aber vier recht hohe Tiere in der Metalszene und viele Musiker haben ein großes Ego – man kann die Einflüsse jeder Ursprungsband in Killer Be Killed hören, aber wie habt ihr das so ausgeglichen hinbekommen, ohne dass sich jemand in den Vordergrund gedrängt hat?
Wir wollten einfach nur eine großartige Platte machen und wussten, dass unsere Mélange ein gutes Potenzial hat und richtig explosiv wird. Und ich hatte recht. Aber mich hat selbst überrascht, dass wir uns alle bald sehr nahe standen, als wir im Studio arbeiteten, und nicht jeder für sich blind sein Ding abgezogen hat, ohne auf den anderen einzugehen. Stattdessen griff jeder die Ideen des anderen auf und es wurde ein riesiger Mixhaufen an Riffs und Songtexten. Und letztendlich klingen wir auch nicht NUR nach Soulfly oder NUR The Dillinger Escape Plan, sondern wie eine Mischung aus allem.
Ja, ihr habt ein ziemlich heterogenes Baby auf die Welt gebracht! (Max lacht) Doch gerade weil man von euch als Supergroup etwas großes erwartet, hätte es doch auch völlig nach hinten losgehen können – wie wäre deine Reaktion gewesen, wenn du nach fünf Songs bemerkt hättest, dass die Mischung einfach nicht stimmt?
Wir gingen ja durch verschiedene Phasen und erst einmal waren es nur Greg und ich, dann kam Dave dazu und letztendlich Troy, es entwickelte sich und wuchs beständig, deswegen machte ich mir keine Sorgen, dass etwas in die Hose geht. Allerdings hatte ich auch nicht erwartet, dass es derart cool wird.
Dennoch macht ihr ja keine große Tour zusammen, hast du vor kurzem gesagt…
Doch, nächstes Jahr wollen wir das versuchen! Nachdem jeder sein Ding mit seiner eigenen Band gemacht hat, wollen wir zusammen auf’s Pferd hüpfen, Festivals und Europadates ansetzen, weil wir diese coole Scheibe einfach live spielen wollen.
Aber du hast doch auch noch ein Album mit deiner Cavalera Conspiracy anstehen, sag mal, schläfst du überhaupt noch irgendwann?
Ja, das Album kommt im Herbst und dann wollen wir im Oktober auf Tour. Bis dahin bin ich noch mit Soulfly unterwegs, bald ziehen wir mit KoRn durch Russland, aber nächstes Jahr sollte noch ein Plätzchen für Killer Be Killed übrig bleiben!
Ich will auch gar nicht zur Ruhe kommen, wenn ich mal zwei Wochen Zuhause bin, werde ich nervös und halte es nicht mehr aus, weil ich zurück auf die Straße muss.

Zum Thema exzessives Touren: Gerade habe ich gehört, dass Lemmy endlich seine Shows mit Motörhead fortsetzen will, nachdem das letzte Jahr gesundheitlich für ihn ja nicht gerade prickelnd war. Ich weiß, du bist ein großer Fan von ihm, aber glaubst du, dass er noch lange schaffen wird, das Musikerleben aufrecht zu erhalten?
Das will ich doch hoffen!! Aber er sollte einen Gang herunter schalten in seinem Alter und weniger saufen und rauchen, sonst könnte das bald übel für ihn ausgehen…
Willst du in dem Alter auch mal so sein und noch weiterhin auf der Bühne stehen oder gedenkst du, eines Tages in musikalische Rente zu gehen?
Nein! Ich mache das, solange ich aufrecht stehen kann! Wenn der Körper eines Tages aufgibt, ist es wohl Zeit, aber bis dahin: Rocken! Live spielen! Ich liebe den Lifestyle, das Leben on the road, jeden Tag neue Menschen zu sehen, Städte zu bereisen – es ist nicht jedermanns Ding, aber meines definitiv! Und meine Familie habe ich ja auch fast immer bei mir.
Trotz dessen, dass jeder immer behauptet, man bekäme in einem Tourbus keinen Schlaf?
Doch, ich schlafe sogar bis 2 Uhr nachmittags, scheiß auf Sonnenaufgang! (lacht) Naja, meine Frau steht immer um 5 morgens auf und schmeißt mich dann um 9 aus dem Bett, aber wenn ich kann, schlafe ich bis nachmittags zum Soundcheck, gehe danach ein bisschen durch die Stadt und spiele dann die Show.

Interview: Anne Catherine Swallow

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