Interview mit Dragonforce – Stagedive-Fails, schlechte Krankenpfleger und Farmville

Rasant. Virtuos. DRAGONFORCE! Obwohl sich der Mythos hält, dass die Engländer mit ihrem Lichtgeschwindigkeitssound erst mit ihrem Killerbeitrag zu dem Spiel Guitar Hero ihren Durchbruch hatten, sind DragonForce schon wesentlich länger eine der bedeutendsten Speed Metal Bands der heutigen Zeit. Trotz einiger Line-Up-Wechsel blieben sie immer ihrem flitzigen Stil mit einprägsamen Melodien und Gute-Laune-Garantie treu und so lässt sich auch ihr neues Epos „Maximum Overload“ problemlos als eines der bisher stärksten Alben von 2014 bezeichnen.
Nach einem Interviewmarathon von mehreren Tagen und somit wortwörtlichen Overload für die Truppe, hatte ich nicht erwartet, noch sonderlich gesprächsfreudige Musiker anzutreffen, doch Fingerflitzer und Bandmitbegründer Sam Totman schien unter vollem Terminkalender erst richtig aufzublühen und wilde Ideen unter seiner Mütze zu entwickeln. Wodurch demnach seine erste Gitarre ruiniert wurde, mit welchem ausgefallenen Haustier er gern angeben möchte und ob er heimlich Farmville spielt, erfahrt ihr hier im Interview!

Anne: Glückwunsch zu eurem genialen neuen Album, bisher zählt es zu meinen Lieblingsscheiben von diesem Jahr! Auch mit dem Titel „Maximum Overload“ durch die Medien können sich sicherlich viele Leute identifizieren – schaust du selbst denn noch viele Nachrichten und bist dann von dem ganzen Input überfordert und deprimiert oder versuchst du mittlerweile, viele Neuigkeiten aus der Welt einfach zu ignorieren?
Sam Totman: Ja, so ein Mal am Tag schaue ich, was in der Welt passiert, unser Albumtitel bezog sich aber eher darauf, dass wir dermaßen von Technik und der virtuellen Welt umgeben sind, dass wir kaum noch Zeit in der Realität verbringen. Überall, wo man hinsieht, stehen Menschen mit iPhones, Tablets, Laptops, fast alles dreht sich nur noch um Facebook und Co, darum wer deinen virtuellen Garten gießt, Selfie und Fotos von deinem Mittagessen. Gut, andererseits will ich nicht wirklich dagegen wettern, ich liebe dieses ständige Onlinesein ja selbst, ich sehe lediglich ein Problem darin, dass Leute kaum mehr etwas komplett genießen können, weil es so viel Input gibt und immer wieder was Neues kommt. Gerade mit Musik, wer hört sich heute noch ein komplettes Album an? Jeder schaut nur einzelne Clips bei Youtube und springt spontan von einem Video zum nächsten, es gibt alles umsonst und das ist natürlich mehr und mehr ein Problem.
Das stimmt, die meisten Dinge, die man online macht, passieren eher flüchtig und nebenbei. Nun aber mal ganz ehrlich: Spielst du auch Farmville oder hütest kleine bunte Schafe online?
Nein nein, wer macht denn freiwillig virtuelle Gartenarbeit? Aber ich spiele öfter klassische PC-Spiele oder auf der Playstation Portable und verschwende damit einen Haufen Zeit – zumindest wenn man es Zeitverschwendung nennen will, denn eigentlich macht’s ja höllisch Spaß.
In einem Interview hattest du mal erzählt, dass die erste Gitarre, die du besaßt auf deinem Kopf zertrümmert wurde, leider konnte ich dazu keine weiteren Details finden… Was zum Teufel ist denn damals passiert?
Meine damalige Freundin lebte mit zwei Skinheads zusammen, die mich aus irgendwelchen Gründen nicht gerade gut leiden konnten (grinst), Gott, das muss mittlerweile zwanzig Jahre her sein, einer davon hatte mir auch die Freundin ausgespannt und irgendwann später Selbstmord begangen, vermutlich weil sie so hässlich war, aber naja… (lacht) Es war eine relativ simple, aber coole Akustikgitarre, und eines Tages kam der Kerl bei mir vorbei, weil er mir eine auf’s Maul geben wollte, glücklicherweise war ich zu der Zeit nicht da, aber als ich wiederkam, zertrümmerte er meine Gitarre. Aber nicht auf meinem Kopf Gott sei Dank. Dennoch: Ja, meine erste Gitarre wurde von einem Skinhead kaputtgeschlagen, der Rest der Geschichte schien aber etwas modifiziert worden zu sein (lacht).
Es war ja eine interessante Überraschung zu hören, dass Matt Heafy [Frontmann von Trivium] auf eurem neuen Album mit von der Partie ist – wie kamt ihr ausgerechnet auf ihn?

Wir trafen uns vor ein paar Jahren und wurden Freunde, als wir zusammen auf der Black-Crusade-Tour waren. Wir wollten für das neue Album ein paar Shoutings und bisher haben immer Fred und ich die gemacht, aber diesmal dachten wir, dass es viel interessanter sei, wenn wir uns jemanden dazu holen, das freut die Fans ja auch immer. Allerdings trauten wir uns erst nicht Matt zu fragen, weil wir dachten, er hat selbst genug zu tun und würde womöglich ablehnen, deswegen schoben Hermann und ich uns immer den Schwarzen Peter zu, wer Matt denn nun ansprechen sollte. Aber als wir dann mutig waren, zeigte sich, dass er total Lust darauf hatte, also sendeten wir ihm Demos mit ein paar Gesangswünschen, aber er hat nicht nur die gemacht, sondern auch noch improvisierte Ideen hinzugefügt und die in drei verschiedenen Versionen durchgeführt, damit wir sogar eine Auswahl zur Verfügung hatten. Also kam ziemlich viel cooles dabei raus, sowohl Shouts als auch klarer Gesang in Kombination mit unserem Sänger. Manchmal muss man aber genau hinhören, um letzteres zu entdecken.
Wenn man dir heute einen Drachen schenken würde, was tätest du als Erstes damit?
Wow, das wäre voll cool, ich würde ihn im Park Gassi führen und bestimmt würden alle Leute ihn streichen wollen, so wie einen Hund!
Klingt nach einem Plan! Wie würde er denn heißen?
Irgendwas total Einfallsloses wie Spyro oder so, keine Ahnung! (lacht)
Was war das Witzigste, das du jemals bei einem eurer Konzerte in der Menge gesehen hast?
Äähm… vermutlich als Herman stagediven wollte und jeder beiseite gehüpft ist, sodass er auf dem Boden gelandet ist (lacht) Das war ziemlich amüsant, zumindest für uns, für ihn hingegen weniger…
Ihm tat eine Woche lang der Rücken weh.
Ich schätze, der ganze Stress in den letzten Wochen wird sich doch ziemlich bei jedem niedergeschlagen haben, also was war der seltsamste Traum, den du in letzter Zeit hattest?
Es ist lustig, normalerweise kann ich mich an meine Träume nicht erinnern, an den von letzter Nacht hingegen schon. Ich wurde zu einem Haus gebracht, wo Leute sich versammelten, die richtig schlecht in ihrem Job waren und ich wurde gezwungen, dort als Pfleger zu arbeiten – es ist nicht direkt lustig, aber ich schwöre dir, es stimmt und ich musste in irgendeinem Büro arbeiten und mit mein Zimmer mit lauter anderen Leuten teilen, das war ziemlich seltsam.

In einem Büro? Was wäre denn deine letzte Rettung als Job gewesen, wenn es mit der Musik nicht hingehauen hätte, hast du vorher eine Ausbildung oder ähnliches gemacht?
Ja, ich wollte tatsächlich ein Krankenpfleger werden. Aber zum großen Glück von allen kranken Leuten in dieser Welt, hat das nicht hingehauen, weil ich auch echt schlecht darin war. Alternativ wäre ich ein Barkeeper in einem Pub geworden oder sowas, wo ich Fish and Chips in London servieren sollte – aber Gott sei Dank kam recht schnell unsere Musik dazwischen und wir begannen als Band zu arbeiten, ich hoffe, das bleibt auch noch sehr lange so und ich muss nie kranke Leute pflegen…
Das heißt, wenn jemand auf Tour krank wird, bist du der perfekte Mann, der sich um alles kümmert?
Oh Gott, ich kann mich an fast gar nichts aus der Ausbildung erinnern, also wären meine Ratschläge wohl völlig nutzlos, das waren sie schon immer und werden es wohl auch immer bleiben (lacht)
Gerade erst gestern habt ihr angekündigt, dass ihr einen neuen Drummer am Start habt, wie kam das so plötzlich zustande? Ist er nicht sogar Italiener?
Ja, mittlerweile haben wir noch ein Land mehr, das wir mit unserer Band repräsentieren können, aber das ist cool – wir trafen ihn ein paar Male, als wir selbst in Italien gespielt haben und er freundete sich mit Dave, unserem früheren Drummer an. Und da er eh die Band verlassen wollte, kam er auf die Idee, kam er auf die Idee ihn uns weiterzuempfehlen. Also luden wir ihn ein, um ihn selbst noch einmal spielen zu hören, gingen mit ihm auf ein paar Bierchen aus und schauten dabei, ob er zu uns als Band passen würde. Und das tat er wie die Faust auf’s Auge und er ist ein unglaublich talentierter Schlagzeuger, bei dem wir uns wirklich darauf freuen, mit ihm live zu spielen. Sicher ist es immer traurig, wenn man vorher gerade ein Bandmitglied gehen lassen musste, aber wir versuchen es auf die positive Art zu sehen und uns zu sagen, dass es auch richtig cool sein kann unsere Musik nun mit einem anderen Mitglied wieder „aufzufrischen“ – wir bleiben also eng mit Dave befreundet, haben aber dennoch einen zusätzlichen Kumpel in der Band gewonnen, also ist alles cool.
Wo ihr heute schon mal in Hamburg für eure Promoarbeit seid, nutzt ihr die Gelegenheit heute Abend beim Sonisphere vorbei zu schneien und euch Metallica und Slayer anzuschauen?

Oooh, davon redet hier momentan jeder und deshalb überlegten wir auch schon, dort hin zu gehen, aber wir müssen morgen sehr früh raus und leider ist bei uns „Abend ausgehen“ gleichgesetzt mit „uns die Rübe volllaufen lassen“, mir gelingt es einfach nicht, nur zwei Bier zu trinken, also zwanzig müssen es schon sein – und das wäre morgen ziemlich übel. Außerdem haben wir Metallica ja schon so oft gesehen, auch wenn es irgendwie traurig ist, das zu sagen. Mit 18 hätte ich getötet, um Metallica sehen zu dürfen und mittlerweile ist es schon fast Routine, aber… naja, hätten wir morgen nicht aufstehen müssen, wäre ich vermutlich hingegangen. Aber wenn ich doch noch Zeit habe, rufen wir dich an!
Das will ich auch hoffen, du! Haha, letzte Frage für heute, Sam: Wenn du in Deutschland bist, welche Biersorte trinkst du?
Oh, das ist gar nicht so einfach, ich war bisher ziemlich mäkelig, was deutsches Bier angeht, meist bekommen wir Warsteiner oder so hingestellt, das ist aber nicht mein Fall. Aber als wir das letzte Mal mit Kissin‘ Dynamite unterwegs waren, legte man mir dieses Bier nahe, das „Gold Ochsen“ aus Süddeutschland, kennst du das? Ich wünschte so sehr, ich könnte es wieder finden, weil ich ansonsten nicht so der Fan von deutschen Bieren bin, aber das war absolut fantastisch. Ich werde wohl lospilgern müssen, um es eines Tages wiederzufinden!

Interview: Anne Catherine Swallow

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