Interview mit ARCH ENEMY – "Ich glaube nicht an Angst"

Im Gespräch mit Saitenmeister Michael Amott beim Summer Breeze

Unter der schwarzen Flagge ihres neuen, tödlichen Silberlings „War Eternal“ führen ARCH ENEMY selbst nach Jahrzehnten im Melodic Death Geschäft noch ihren Krieg an vorderster Front – jedoch nicht mit Kanonen, sondern System und ausgefeiltester Technik. Aggressive, clevere Lyrics gepaart mit Fingerperfektion an den Gitarren ist das Erfolgsrezept von Arch Enemy, ihre Feinde fallen wie Fliegen unter der Khaos Legion, doch Axtschwinger und Songwriting-Chef Michael Amott sieht das ganz gelassen.

Einen konkreten Erzfeind hat er selbst nämlich nicht – „allerhöchstens die Sonne“, lacht er. Doch die ist beim Summer Breeze Open Air sowieso nicht sehr kräftig vertreten, und nun wissen wir auch warum: „Ich habe extra meine Arch Enemy Regenjacke angezogen, damit es auch kräftig regnet. Die Sonne ist ziemlich fies, ich bin ein kreidebleicher Mensch und sobald auch nur ein Sonnenstrahl hervorkommt, werde ich knallrot!“
Seine Haare scheint es jedenfalls schon getroffen zu haben, denn das Rot ist – natürlich neben seiner Signature Dean Gitarre – Amotts Markenzeichen. Auch wenn es dadurch nun recht bunt auf den Bandfotos wird, schließlich headbangt die brandneue Lady hinter dem Mikro am liebsten in den Farben blau und grün.
Doch nicht nur auf dem Kopf bringt Alissa White-Gluz eine bunte Tüte mit in das Arch Enemy Camp – auch stimmlich variiert sie problemlos zwischen Death Metal Growls, dem etwas alternativeren Metalcore-Stil und sogar engelsgleich singen kann sie, wie ihre bisherige Karriere bei Kamelot als Backgroundsängerin bewies. Und was viele vielleicht schon wieder vergessen haben: Sie war es, die spontan bei Nightwish aushalf, als Anette Olzón von der Bildfläche verschwand und Floor Jansen noch nicht angereist war – dass Arch Enemy nun aber ihren Stil auf melodischen Gesang ausweiten, hält Michael Amott eher für unwahrscheinlich: „Schwer zu sagen, wir wissen natürlich, wie viel Alissa mit ihrer Stimme anstellen kann, aber jeder von uns kann extrem unterschiedliche Sachen mit seinem Instrument ausführen, dennoch nutzen wir nicht alles. Es muss zu der Band passen und wir tun immer nur das, was wir für den jeweiligen Song als richtig empfinden. Aber man soll ja niemals nie sagen, vielleicht kommt es eines Tages doch mal gut.“
Selbstbestimmung, Auflehnung gegen Ungerechtigkeit und Genugtuung sind Themen, die sich seit Jahrzehnten in den Liedtexten der Band widerspiegeln. Viele Fans nehmen sie als Beispiel, um ihr Leben selbst in die Hand zu nehmen und sowohl Angela Gossow als auch Alissa White-Gluz sind das perfekte Symbol dafür, Unmögliches möglich zu machen und als Frau im Death Metal Genre zu überleben. Doch nicht jedem Menschen fällt immer das Glück zu, dass seine Kunst im richtigen Moment entdeckt wird und viele Musiker, Maler oder Schreiber produzieren jahrelang grandiose Werke, sehen sich irgendwann aber aus finanziellen Gründen gezwungen, ihre kreative Ader versiegen zu lassen.

„Das Leben ist immer ein Kampf, auch auf ‚War Eternal beschäftigen wir uns wieder mit dem Thema. Es gibt einfach für nichts eine Garantie, du kannst großartig in deinem Job sein und dennoch gefeuert werden oder gar nicht erst einen bekommen, das ist nicht nur in der Künstlerszene so – einen direkten Rat habe ich deshalb nicht, außer dass man einfach seinem Herzen folgen sollte.“
Doch Scheitern gehört zu einem erfolgreichen Leben dazu, in einer Art und Weise, denn Unzufriedenheit ist es, die einen vorantreibt, sagt Michael. „Wenn ich komplett glücklich bin, schreibe ich kaum Musik. Da treffe ich mich lieber mit Freunden oder treibe Sport.“
Doch irgendetwas scheint es zu geben, was Michael eine unglaubliche Gelassenheit verleiht. Die Souveränität, einfach das zu tun, was er für richtig hält, egal, was andere Leute darüber denken und das ist bei einem Sängerwechsel alles andere als selbstverständlich, da dies oftmals zu einer kleinen Revolution in der Fangemeinde führen kann…
„Ich glaube nicht an Angst. Wir machen einfach das, was wir eben machen. Als Angela mir letztes Jahr mitteilte, dass sie von ihrem Posten zurücktreten will, stand ich als Bandleader vor der großen Frage: Trage ich Arch Enemy zu Grab oder versuche ich, eine neue Sängerin zu finden? Und da ich bereits dabei war, neue Songs zu schreiben, war es ein glücklicher Zufall, dass wir Alissa fanden und alles so nahtlos ineinander überging. Ich glaubte einfach an meine Musik und an mich selbst – und Gott sei Dank taten das einige Fans auch, deshalb bin ich noch hier.“
Mit ihrem Album „War Eternal“ betraten Arch Enemy also nicht nur Neuland, was ihre Sängerin betraf, sondern stellten sich auch musikalisch und technisch neuen Herausforderungen. So enthält die Scheibe mit dem grandiosen Coverartwork von Costin Chioreanu sowohl das schnellste, als auch das langsamste Lied aus Arch Enemys Karriere und auch auf Chöre und Orchester wird nicht verzichtet – ohne dabei jedoch auch nur eine Sekunde in Kitsch abzurutschen.
Trotzdem sind Metalfans bekanntlich Gewohnheitstiere und müssen sich erst an die neue Dame hinter dem Mikro gewöhnen, denn – seien wir ehrlich – eine Sängerin wie Angela Gossow bleibt unvergessen. Ihren Rücktritt zu bereuen, scheint sie jedoch nicht, auch wenn Michael Amott sich nur wenig dazu äußern will, wie es ihr momentan geht: „Das müsstest du sie selbst fragen – aber ich denke, sie ist glücklich.“

Als Managerin der Band hat sie weiterhin ein waches Auge auf ihre Schäfchen, in Alissas Art und Weise, die Band gesanglich anzuführen, wollte sie sich jedoch nicht einmischen. Die 29-jährige Kanadierin war für die Gestaltung ihres Gesangs auf „War Eternal“ komplett selbst verantwortlich und auch viele der neuen Texte stammen aus ihrer Feder und beschäftigen sich weiterhin mit der Rache der Ausgegrenzten oder dem Kampf gegen die Ungerechtigkeiten in der Welt.
Angesprochen fühlen kann sich hierbei jeder, jenseits von Geschlecht, Nationalität oder Alter. „Für uns macht es keinen Unterschied, für wen wir spielen oder in welchem Land wir auftreten. Vor ein paar Tagen waren wir auf Sardinien, die meisten wissen gar nicht, dass dort auch Metalfestivals stattfinden, aber es war genial, wie die Leute uns dort gefeiert haben.“
Und ihr Schlachtzug hat erst begonnen – im Winter fallen die Erzfeinde auch wieder bei uns in Deutschland ein und plätten zusammen mit Kreator, Sodom und Vader die Säle, bis auch dem allerletzten klar ist: „You will know my name!“
05.12. Ludwigsburg, MHP Arena
06.12. Oberhausen, Turbinenhalle
07.12. Saarbrücken, Garage
08.12. Hamburg, Docks
09.12. Berlin, Huxleys
11.12. Wiesbaden, Schlachthof
12.12. Geiselwind, Eventhall
13.12. München, Tonhalle

Interview: Anne Catherine Swallow, in Zusammenarbeit mit Whiskey-Soda.de)

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